Delphinenspiele

1974 – dem Jahr, in dem der Nijha erschien – kam ich in Kontakt mit einem damals nicht ganz unbekannten deutschen SF-Autor, der für die SF-Reihe eines Heftromanverlags neue Autoren suchte. Ich schickte ihm ein Exposé, das er mit der Begründung ablehnte, es sei »nicht wissenschaftlich genug».

Bereits als Jugendlicher hatte ich voller Begeisterung ein Sachbuch des Neusee­länders Antony Alpers gelesen: Delphine – Wunderkinder des Meeres. Also beschloß ich, einen Roman zu schreiben, der auf den wissenschaftlichen und historischen Fakten beruhte, die in diesem Buch so wunderbar aufbereitet waren. Innerhalb weniger Wochen entstand so Delphinenspiele.

Gemälde © Mechtild Jacobi · Repro: Medienstudio Holtz, Münster

Spiele (100 x 80 cm. Mischtechnik auf Leinwand, 1999). Gemälde von Mechthild Jacobi, inspiriert durch meinen Roman Delphinenspiele. In Privatbesitz (nein, leider nicht in meinem!).
Gemälde © Mechtild Jacobi, www.m-jacobi.de · Repro: Medienstudio Holtz, Münster

Darin geht es um eine neuseeländische Forschungsstation, in der der greise Biologe Carl Benton mit intelligenzgesteigerten Delphinen experimentiert. Als diese Delphine von den Vereinten Nationen im total verseuchten Mittelmeer eingesetzt werden sollen, muß Carl Benton eine Entscheidung treffen zwischen der Loyalität gegenüber seinen Auftraggebern und seiner Verantwortung für das Wohlergehen der Delphine – ein moralischer Zwiespalt, der noch dadurch verschärft wird, daß er in seiner Kindheit unwissentlich eine große Schuld auf sich geladen hat, die seit damals sein ganzes Leben überschattet und für die er nun bezahlen muß, und das im schlimmsten Fall vielleicht sogar mit seinem Leben ...

In Anbetracht meiner erst kurz zuvor beendeten journalistischen Ausbildung ist es vielleicht nicht überraschend, daß die weibliche Hauptperson des Romans eine Journalistin ist, die gerade die Forschungsstation besucht, um einen Artikel darüber zu schreiben – nebenbei ein probates Mittel, um dem Leser auf unaufdringliche Art eine Menge biologischer und historischer Fakten zu vermitteln, denn Claire Jacobs, die Journalistin, weiß am Anfang genauso wenig über Delphine wie der Leser selbst.

Die Antwort auf das eingesandte Manuskript kam diesmal direkt vom Verlag. Der Roman, so hieß es darin, enthalte »zu wenig Actionszenen», aber man sei natürlich gerne bereit, ihn auf meine Kosten (!) von einem anderen Autoren umschreiben zu lassen ... Obwohl ich damals noch ziemlich naiv war, fiel ich auf diese Art von Bauernfängerei zum Glück trotzdem nicht herein. Statt dem Vorschlag zuzustimmen, schrieb ich höflich zurück, der Roman gefiele mir sehr gut so, wie er jetzt sei, aber selbstverständlich wäre ich jederzeit bereit, einen anderen Roman für den Verlag zu schreiben, der dann natürlich eine Menge Actionszenen enthalten würde ... Daraufhin habe ich weder von dem Verlag noch von jenem Autor je wieder etwas gehört.

Delphinenspiele erschien dann (um ein etwas mißlungenes Einleitungskapitel gekürzt) dank der Vermittlung meines damaligen literarischen Agenten Wilfried Th. Sieber 1977 als Hardcover in der allgemeinen Jugendbuch-Reihe des Arena-Verlags. Einziger Wermutstropfen: Dadurch, daß Arena ihn nicht unter dem Etikett »Science Fiction» veröffentlichte, fand er leider kaum Beachtung in der deutschen SF-Szene, was um so bedauerlicher war, weil es sich dabei wahrscheinlich um einen der frühesten Öko-SF-Romane eines deutschen Autors gehandelt haben dürfte.

Erst einige Zeit später (es muß Anfang der 80er Jahre gewesen sein) las ich übrigens Arthur C. Clarkes Jugendbuch Dolphin Island (dt. als Die Delphininsel 1977, Heyne-Jugendtaschenbuch 125). Dabei mußte ich feststellen, daß auch Clarke sich bereits 1963 bei seinem Roman auf Antony Alpers' Sachbuch bezogen hatte – aber natürlich nicht so wie ich auf die deutsche Übersetzung, sondern auf die englischsprachige Originalausgabe! Das Verblüffende dabei ist, wie wenig Parallelen es zwischen den beiden Romanen gibt, obwohl sie doch vom selben Faktenmaterial ausgehen. Eines Tages erzählte ich Fredy Köpsell, damals einer der SF-Redakteure bei Bastei Lübbe, von dieser Lektüre, woraufhin er sich entschloß, Clarkes Roman auch in der von ihm betreuten Taschenbuchreihe »SF Action» zu veröffentlichen und ihn so auch einem erwachsenen Publikum von Science-Fiction-Lesern zugänglich zu machen. Delphinenspieleist hingegen seit 1977 nicht wieder neu aufgelegt worden.